Migräne: „Viele Möglichkeiten, um die Lebensqualität zu erhalten“

Primarius Dr. Marc Rus von der Abteilung für Neurologie im Krankenhaus Oberwart sprach über das Thema „Migräne“ in der „Radio Burgenland Sprechstunde“ am 15. Dezember 2022 mit ORF-Moderator Thomas Hochwarter.  

Grundsätzlich könne man davon ausgehen, dass circa die Hälfte der Bevölkerung im Laufe ihres Lebens unter Kopfschmerzen leidet. Primarius Dr. Marc Rus erklärt dazu die Definition von Migräne: „Migräne ist eine besonders intensive Form von Kopfschmerzen, die noch weitere Symptome mit sich bringt. Viele Betroffene berichten dabei von Seh- und Empfindungsstörungen oder auch in Extremfällen von Lähmungen der Gliedmaßen, diese Symptome treten aber bereits vor den eigentlichen Kopfschmerzen auf.“

Unterschiedliche Symptome und Arten der Migräne

Anschließend an diese Symptome treten nach einer gewissen Zeit, in der Regel zwischen 15 und 30 Minuten, die starken Kopfschmerzen auf.  „Während einer Migräneattacke können zusätzlich noch starke Licht- und Lärmempfindlichkeit, Übelkeit mit Erbrechen oder Kreislaufprobleme auftreten“, erklärt der Neurologe. Je nachdem, ob sich die Migräne mit den genannten Symptomen ankündigt, wird in Migräne mit oder ohne Aura unterschieden. Auch die Frequenz der Migräneattacken spiele eine Rolle bei der Definition einer chronischen Migräne.

Frauen öfters betroffen als Männer

Migräne könne auch bereits bei Kindern und Jugendlichen auftreten, wobei bei Frauen die erste Attacke meist im zwölften bis 16. Lebensjahr und bei Männern im Alter von 16 bis 20 Jahren in Erscheinung tritt. Zu den Ursachen wurde in den letzten Jahren viel Forschung betrieben. „Wir vermuten zurzeit, dass bestimmte Hormone eine große Rolle spielen, was auch eine Reihe von Therapiemöglichkeiten ermöglicht“, so Primarius Dr. Rus. Frauen seien dabei ungefähr zweieinhalbmal so oft von Migräne betroffen wie Männer, außerdem seien viele jüngere Menschen betroffen. Die Migräne könne sich aber auch bis ins hohe Alter ziehen.

Diagnose und Behandlung

Wenn es den Verdacht auf Migräne gibt, dann sollte ärztlicher Rat aufgesucht werden. „Ein Neurologe bzw. eine Neurologin kann abklären, ob es sich um eine Migräne handelt. Hier sind normalerweise auch bildgebende Untersuchungen erforderlich. Sobald es eine Diagnose gibt, ist es wichtig, ein gutes medikamentöses Konzept zu erstellen“, erklärt Primarius Dr. Rus. Im Rahmen einer Behandlung solle man auch ein Migräne-Tagebuch führen. „Hier versucht man bestimmte Auslöser, sogenannte ‚Trigger‘, zu erkennen. Außerdem ist es auch wichtig, die Intensität und Frequenz der Kopfschmerzen zu erfassen“, so der Leiter der Neurologie im Krankenhaus Oberwart. Dadurch könne man bestimmte Dinge vermeiden, auch eine Änderung des Lebensstils sei oft notwendig. „Man sollte, wie bei vielen anderen Erkrankungen auch, auf übermäßigen Alkoholkonsum verzichten und auch mit dem Rauchen aufhören. Regelmäßige Bewegung ist ebenfalls wichtig. Gewisse Lebensmittel können im Einzelfall auch die Kopfschmerzen verstärken, auf diese sollte dann verzichtet werden“, so Primarius Dr. Rus weiter.

Im Akutfall könne man Schmerzmittel einsetzen, die im Idealfall nur einen Wirkstoff enthalten. „Wenn diese nicht helfen, gibt es spezifische Medikamente, die für die Therapierung der Migräne eingesetzt werden. In diesem Sektor tut sich zurzeit sehr viel“, erklärt Primarius Dr. Rus. Seit einigen Jahren gäbe es auch eine Spritze, die vorbeugend wirke. „Die Spritze ist ein sogenannter Antikörper, der die entsprechenden Hormone im Körper abfängt und so die Entstehung der Migräne verhindert oder zumindest stark abschwächt. Zusätzlich hat diese Therapie wenig Nebenwirkungen. Ich denke, dass diese Therapie vielen Menschen mit Migräne hilft und helfen kann“, so der Neurologe. Die Spritze müsse man ungefähr alle vier Wochen verabreichen. „Nur bei schwangeren Frauen oder bei Frauen, die eine Schwangerschaft planen, ist diese Therapie nur bedingt geeignet. Hier gibt es allerdings Alternativen“, so Primarius Dr. Rus. Eine davon sei das Botulinumtoxin, kurz Botox, welches eher aus dem Bereich der Schönheitsmedizin bekannt sei. „Diese Substanz kann vor allem im Bereich der chronischen Migräne Abhilfe schaffen“, so der Neurologe.

Operation als letzte Möglichkeit

In Einzelfällen könne auch mit einer Operation an einem Muskel im Bereich der Stirn Migräne behandelt werden. „Der Muskel wird geschwächt oder sogar getrennt. In Einzelfällen, wenn das Spektrum der nichtoperativen Methoden ausgenutzt wurde, bietet diese OP eine Chance“, so Primarius Dr. Rus.  Migräne sei aber noch immer nicht heilbar. „In Österreich sind immerhin eine Million Menschen davon betroffen. Allerdings haben wir mittlerweile viele Therapiemöglichkeiten, um die Lebensqualität der Betroffenen zu erhalten“, so Primarius Dr. Rus abschließend.