Schlucken ist ein lebensnotwendiger, meist völlig unbewusster Vorgang. Oberärztin Dr.in Sabine Reinisch machte in der Radio Burgenland Sprechstunde auf die Bedeutung des Schluckvorgangs aufmerksam: „Viele Menschen messen auftretenden Schluckbeschwerden – medizinisch Dysphagie genannt – zunächst keine große Bedeutung bei, dabei können sie entscheidende Warnzeichen für schwerwiegende Erkrankungen und den Verlust von Lebensqualität darstellen.“
Schon im Mutterleib beginnen wir zu schlucken: Babys trainieren diesen komplexen Vorgang durch das Schlucken von Fruchtwasser. Im Lauf des Lebens unterliegt der Schluckvorgang erheblichen Veränderungen. Erwachsene schlucken etwa 2.000 bis 3.000 Mal pro Tag. Dabei gilt es zu beachten, dass sich Atem- und Speisewege nicht gefährlich kreuzen.
Mehr Schluckstörungen im Alter
Besonders häufig sind ältere Menschen von Schluckstörungen betroffen: „Schluckstörungen nehmen mit dem Alter deutlich zu. 80 bis 90 Prozent der über 70-Jährigen haben Veränderungen, manifeste Dysphagien betreffen rund 70 Prozent“, so Oberärztin Dr.in Reinisch. Bereits bei 60-jährigen Patient*innen, die sich im stationären Aufenthalt befinden, liegt die Rate manifester Schluckstörungen bei etwa 50 Prozent. Auslöser sind dabei nicht nur das Alter an sich, sondern auch Faktoren wie Zahnersatz, Veränderungen im Rachen neurologische Vorerkrankungen wie Schlaganfälle und Morbus Parkinson oder muskuläre Erkrankungen.
Akute Infektionen, Zahnschmerzen oder Schmerzen im Kiefergelenk können das Schlucken ebenfalls erheblich beeinträchtigen. „Wir alle wissen, wie unangenehm das Schlucken bei Halsschmerzen sein kann“, so ein Beispiel der Expertin.
Alarmierende Symptome
Zu den alarmierenden Symptomen zählen u.a. ungewollter Gewichtsverlust, verschleimtes Gefühl im Hals, häufiger Husten oder Räusperzwang, veränderte Stimme oder blubbernde Geräusche nach dem Schlucken, aber auch Haltungsänderungen beim Essen – zum Beispiel das Neigen des Kinns zur Brust oder das Drehen des Kopfes auf die Seite.
Das größte Risiko liegt in sogenannten Aspirationen: Dabei gelangen Speise- oder Flüssigkeitsteilchen in die Luftröhre und können schwere Lungenentzündungen verursachen. Der Körper schützt sich durch verschiedene Reflexe – Verschluss des Kehldeckels oder der Stimmlippen sowie Hustenreiz – doch sind diese Mechanismen gestört, steigt das Risiko für ernste Folgeerkrankungen deutlich.
Wer Symptome, wie oben genannt, bei sich feststellt, sollte sich an Ärzt*innen seines Vertrauens (HNO-Expertinnen, Neurolog*innen oder Internist*innen) wenden. Die Phoniatrieambulanz in der Klinik Oberwart bietet ein interdisziplinäres Netzwerk für Diagnose und Therapie: Neben der fachlichen Beurteilung durch Expert*innen der HNO, der Neurologie, der Chirurgie und der Radiologie sind insbesondere Logopäd*innen maßgeblich an der Schlucktherapie beteiligt, unterstützt von Diätassistenten bei der Beratung zu geeigneter Ernährung. Die Bandbreite der Behandlung reicht – je nach Ausmaß und Ursache – von speziellen Trainings für die am Schluckakt beteiligte Muskulatur über Anpassung der Ernährungskonsistenz bis zu Medikamentengabe und in seltenen Fällen operativen Methoden (z.B. Beseitigung von Divertikeln oder Injektion von Botulinumtoxin in den Schließmuskel der Speiseröhre).
Praktische Tipps für den Alltag
Damit das Schlucken auch im Alter gut funktioniert, hat Oberärztin Dr.in Sabine Reinisch zahlreiche Tipps auf Lager.
- Gerade sitzen während des Essens
- Ablenkungen vermeiden
- Mahlzeiten nach Möglichkeit in Gesellschaft einnehmen
- Kleine Bissen nehmen
- Langsame und gründlich Kauen
- Erst den Mund leeren, bevor man nachnimmt
- Bei Bedarf öfter nachschlucken
- Geeignete (einheitliche) Nahrungsmittel – Püree statt trockenes oder zähes Essen
- Nach dem Essen mindestens 20 Minuten aufrecht sitzen bleiben
Vorbeugend empfiehlt OÄ Dr.in Reinisch Muskeltraining, eine ausgewogene Ernährung (mit ausreichend Eiweiß und Vitaminen) und frühzeitige Beratung bei ersten Auffälligkeiten, um die gefährliche Abwärtsspirale – Schwäche, verminderte Nahrungsaufnahme, weitere Schwächung und erhöhtes Infektionsrisiko – zu durchbrechen und im Alter weiterhin Genuss beim Essen zu ermöglichen.
Wichtig: Anhaltende oder sich verschlechternde Schluckprobleme sind immer ein Grund für eine medizinische Abklärung – Sicherheit, Lebensqualität und Gesundheit hängen davon ab.