Septischer Schock: Wenn jede Minute zählt

Zu sehen ist Primaria Univ.-Doz.in DDr.in Ulrike Vyskocil-Weber, Leiterin der Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin in der Klinik Oberpullendorf
Primaria Univ.-Doz.in DDr.in Ulrike Vyskocil-Weber, Leiterin der Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin in der Klinik Oberpullendorf, in der ORF Radio Burgenland Sprechstunde im Gespräch mit Moderatorin Nicole Aigner zum Thema Blutvergiftung.

Eine Sepsis ist ein medizinischer Notfall, der lebensbedrohlich werden kann. Vielen ist die Sepsis unter dem landläufigen Begriff „Blutvergiftung“ bekannt. Aber was genau passiert bei einer Sepsis? Wie kann man sie erkennen und was ist zu tun? „Die häufigsten Auslöser für eine Sepsis sind meist harmlose Infektionen. Das können Harnwegsinfekte, offene – oft auch kleine – Wunden oder respiratorische Infekte sein“, erklärt Primaria Univ.-Doz.in DDr.in Ulrike Vyskocil-Weber, die Leiterin der Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin in der Klinik Oberpullendorf.

Bei einer Sepsis kommt es zu einer Abwehrreaktion gegen eine Infektion. Die Abwehrreaktion läuft jedoch nicht gezielt ab. Das Immunsystem gerät außer Kontrolle. Es kämpft nicht nur gegen die Infektion, sondern greift auch gesundes Gewebe und Organe an. „Man könnte sagen, dass der Körper in einem Ausnahmezustand ist“, so die Expertin. Die Gefahr dabei: Eine Sepsis äußert sich zunächst meist unscheinbar. Symptome könnten etwa Fieber, Schüttelfrost oder Schwäche sein, also Beschwerden, wie man sie auch von einem grippalen Infekt kennt.

Alarmsignale erkennen

Zu Beginn einer Sepsis sind die Symptome oft recht unspezifisch. Sie können leicht mit anderen Erkrankungen verwechselt werden. Fieber, Schüttelfrost und Müdigkeit weisen zunächst einmal auf eine einfache Erkältung hin. Erst wenn Symptome wie Verwirrtheit, flache und schnelle Atmung, erhöhter Puls und Blutdruckabfall dazukommen, sind das Alarmsignale, die auf eine Sepsis hindeuten. Hier gilt: Jede Minute zählt.

Ein septischer Schock wird dann kritisch, wenn die Organe durch den mangelnden Blutfluss nicht mehr gut versorgt werden können. Davon können alle Organe betroffen sein: Herz, Lunge, Leber, Niere. Sind die Organschäden soweit fortgeschritten, dass selbst intensivmedizinische Maßnahmen nicht mehr greifen, dann bleibt den Ärzt*innen oft nur mehr, palliativ zu behandeln. Vor allem der septische Schock endet sehr häufig fatal.

„Auch für uns ist das ein Ausnahmezustand“, betont die Primaria. Sehr wichtig seien Angehörigengespräche und auch, die Patient*innen in dieser Situation so gut wie möglich mit Therapien, vor allem einer Schmerztherapie, zu unterstützen.

Überlebenschancen: Schnelle Diagnosen Um und Auf

Entscheidend für den Verlauf einer Sepsis ist, wie schnell diese erkannt wird und wie schnell die Behandlung eingeleitet wird. Sobald sie diagnostiziert wurde, folgen die Gabe von Antibiotika und Flüssigkeit sowie intensivmedizinische Maßnahmen. Auch Faktoren wie das Alter, der Gesundheitszustand und Begleit- und Vorerkrankungen der Patient*innen spielen eine wichtige Rolle. Patient*innen mit einem geschwächten Immunsystem, wie zum Beispiel Ältere, chronisch Kranke, Frühgeborene oder Schwangere haben ein höheres Risiko für schwere Sepsis-Verläufe.

In der Klinik Oberpullendorf gibt es für den Umgang mit der Sepsis klare Protokolle. „Sobald eine Sepsis vermutet wird, leiten wir zunächst eine umfassende Diagnostik ein und beginnen dann rasch mit der Therapie. Wenn nötig, arbeiten wir eng mit Zentren, wie dem AKH zusammen, um die Möglichkeit einer Überstellung zu gewährleisten“, erklärt DDr.in Ulrike Vyskocil-Weber. Sollte es nötig sein, wird ein Transport – wenn möglich mit Hubschrauber – organisiert, um die Betreffenden so schnell wie möglich ins nächstgelegene Zentrum zu bringen. Denn hier zählt jede Minute.

Was hilft vorbeugend?

Neben dem achtsamen Umgang mit seinem Körper können auch vorbeugende Maßnahmen, wie Impfungen gegen Grippe oder Pneumokokken ergriffen werden. Bei offenen Wunden ist die Hygiene besonders wichtig. Chronisch Kranke sollten darauf achten, dass sie regelmäßig zur Vorsorgeuntersuchung gehen und ihren Gesundheitszustand gut im Auge haben.

Gut zu wissen: Auch junge Menschen können eine Sepsis bekommen. Diese kann von banalen Infekten oder einer infizierten Wunde ausgehen.

Die Bedeutung des roten Strichs

Es ist ein Irrglaube, dass bei jeder Blutvergiftung ein roter Strich entsteht. Er entsteht dadurch, dass sich entlang der Lymphbahnen Bakterien ausbreiten. Man spricht von der sogenannten Lymphangitis. Diese führt nicht zwingend zu einer Sepsis. Der landläufig gebrauchte Terminus Blutvergiftung rührt von den Keimen im Körper her, die auch über die Blutbahn an die Organe verteilt werden.

Hygiene im Krankenhaus

Im Krankenhaus ist es besonders wichtig auf die Hygiene zu achten, auch angesichts gefürchteter Krankenhauskeime. „Das beginnt bei der regelmäßigen Händedesinfektion, der richtigen Kleidung und setzt sich bis in den OP bzw. bei medizinischen Maßnahmen fort“, so die Expertin. Operationsgebiete werden steril gehalten, gewaschen, abgedeckt und es wird ausschließlich mit sterilen Materialien gearbeitet.

Wichtig sei auch die Selbstbeobachtung bzw. seine Angehörigen zu beobachten. „Achten Sie auf Ihren eigenen Körper, achten Sie auf Symptome und scheuen Sie nicht davor, gerade wenn Sie Begleiterkrankungen haben oder vielleicht schon älter sind, ärztlichen Rat einzuholen.“

Intensivmedizinische Betreuung

Patient*innen mit Sepsis benötigen oftmals intensivmedizinische Betreuung. Primär sei die Diagnostik wichtig, um den richtigen Keim zu finden und entsprechende spezifische Therapien einzuleiten. Infolge einer Sepsis kann es zu Organschäden kommen. Auf der Intensivstation werden Organfunktionen durch Beatmung, Kreislaufunterstützung und/oder Dialyse gestützt.

Nach einer Sepsis oder einem septischen Schock ist die Rehabilitationsphase oft lang. Sowohl körperliche als auch psychische Erholung nehmen sehr viel Zeit in Anspruch. Hier sei es wichtig, unterstützend einzugreifen, insbesondere durch Physiotherapie, durch Rehabilitation und/oder Kuraufenthalte. Trotz allem kann es sein, dass Patient*innen langfristige Folgen erleiden, wie Konzentrationsstörungen, chronische Müdigkeit oder auch bleibende Organschäden.

Hier können Sie den ORF Podcast zur Sepsis nachhören.