Mythen und Fakten rund um das gute und das böse Cholesterin

Primarius Dr. Wilhelm Wlassits, Abteilungsleiter der Inneren Medizin in der Klinik Oberpullendorf, in der Radio Burgenland Sprechstunde zum Thema Cholesterin.

Ein Großteil der Bevölkerung kämpft mit erhöhten Cholesterinwerten – ein zentraler Aspekt der sogenannten Dyslipidämie. Darunter versteht man Laborveränderungen im Fettstoffwechsel, die durch zu hohe Cholesterin- und/oder Triglyceridwerte gekennzeichnet sind. Diese Veränderungen erhöhen das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen deutlich.

In der westlichen Welt sind etwa zwei Drittel der Menschen betroffen – das bedeutet, dass zwei von drei Personen in unserer Gesellschaft mit Dyslipidämie leben. Die häufigste Form ist ein zu hoher Cholesterinspiegel im Blut.

Bei einer Blutuntersuchung zur Kontrolle der Blutfette werden meist Gesamtcholesterin, LDL-Cholesterin ("schlechtes Cholesterin"), HDL-Cholesterin („gutes“ Cholesterin) und Triglyceride gemessen. Darüber hinaus können auch Chylomikronen, VLDL (Very Low Density Lipoprotein) und Lipoprotein(a) bestimmt werden, um ein umfassendes Bild des Fettstoffwechsels zu erhalten.

Wie viel Cholesterin braucht der Körper?

Cholesterin ist ein lebensnotwendiger, essentieller Baustein unseres Körpers. Es befindet sich in jeder menschlichen Zelle, genauer gesagt in der Zellmembran, und spielt eine wichtige Rolle als Ausgangsstoff für die Bildung körpereigener Steroidhormone sowie von Gallensäuren.

Unser Körper nimmt Cholesterin über die Nahrung im Dünndarm auf, kann es aber auch selbst produzieren – eine doppelte Versorgung, die zeigt, wie wichtig dieser Stoff für uns ist.

Seit Jahren wird darüber diskutiert, wie hoch die Cholesterin-Grenzwerte im Blut sein sollten. Klar ist: Ein gesunder Mensch ohne Fettstoffwechselstörung hat in der Regel ein LDL-Cholesterin – das „schlechte“ Cholesterin – unter 100 mg/dl. Für Menschen mit hohem Risiko, etwa nach einem Herzinfarkt oder Schlaganfall, gelten deutlich strengere Ziele. Bei ihnen sollte der LDL-Wert unter 55 mg/dl liegen, um das Risiko für weitere schwere Erkrankungen zu minimieren.

Cholesterin ist also unverzichtbar – doch ein zu hoher Spiegel kann gefährlich werden. Deshalb ist es wichtig, den Cholesterinspiegel regelmäßig kontrollieren zu lassen und bei Bedarf gezielt zu behandeln.

Cholesterin: Klarheit schaffen durch solide Information

Rund um das Thema Cholesterin kursieren viele Meinungen – nicht selten wird dabei mehr Verwirrung gestiftet als Klarheit geschaffen. Für Patientinnen und Patienten ist es oft schwierig, zwischen fundierter medizinischer Aufklärung und einseitigen Botschaften oder gar Verschwörungstheorien zu unterscheiden. Dabei ist die Faktenlage eigentlich eindeutig.

Was wir sicher wissen: Ein dauerhaft erhöhter LDL-Cholesterinspiegel – also das „schlechte“ Cholesterin – ist ein zentraler Risikofaktor für die Entstehung von Arteriosklerose, also Gefäßverkalkung. Die möglichen Folgen sind gravierend: Herzinfarkt, Schlaganfall, Nierenversagen, Erblindung oder die sogenannte periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK). Letztere betrifft vor allem die Beinarterien – Betroffene haben beim Gehen starke Schmerzen, müssen immer wieder stehen bleiben („Schaufensterkrankheit“) und im schlimmsten Fall droht sogar eine Amputation.

Trotzdem wird um das Thema „Cholesterin“ viel diskutiert – teils emotional, teils politisch. Während einige die Gefahren verharmlosen oder sogar leugnen, zeigen große Studien und Leitlinien klar: Wer Risikofaktoren wie erhöhtes LDL frühzeitig erkennt und behandelt, kann schwerwiegende Erkrankungen verhindern.

Welche Möglichkeiten gibt es, den Cholesterinspiegel zu senken?

Es stehen heute verschiedene Medikamente zur Verfügung, um erhöhte LDL-Werte zu senken, beispielsweise Ezetimib. Dieses Medikament hemmt die Aufnahme von Cholesterin im Dünndarm und verhindert so, dass Nahrungs-Cholesterin ins Blut gelangt. Sogenannte Statine hemmen indes die körpereigene Cholesterinsynthese in der Leber, indem sie das Schlüsselenzym HMG-CoA blockieren. Beide Wirkmechanismen helfen, das LDL-Cholesterin zu senken und damit das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen deutlich zu reduzieren.

Statine und Nebenwirkungen: Was Patient*innen wissen sollten

Statine gehören zu den wichtigsten Medikamenten zur Senkung des Cholesterinspiegels – und damit zur Vorbeugung von Herzinfarkt, Schlaganfall und anderen Gefäßerkrankungen. Wie bei allen wirksamen Medikamenten kann es jedoch auch bei Statinen zu Nebenwirkungen kommen.

Am häufigsten berichten Patient*innen über Muskelschmerzen, typischerweise im Bereich von Schultern und Becken. Solange dabei keine Auffälligkeiten im Labor – insbesondere bei den CK-Werten oder dem Myoglobin – auftreten, sind die Beschwerden in der Regel harmlos. Oft reicht es schon, die Betroffenen über den Zusammenhang aufzuklären. Viele setzen die Therapie dann fort – wissend, dass der Nutzen für die Herz-Kreislauf-Gesundheit deutlich überwiegt.

Kommt es jedoch zu messbaren Muskelschäden im Blut oder zu erhöhten Leberwerten, muss das Medikament angepasst oder gewechselt werden. In vielen Fällen verschwinden die Beschwerden dann vollständig. Bleiben sie trotz Substanzwechsels bestehen, gibt es alternative Wirkstoffe zur Cholesterinsenkung.

Wichtig ist: Wer Statine einnimmt, sollte in engem Kontakt mit der behandelnden Ärztin oder dem behandelnden Arzt stehen. Regelmäßige Kontrollen helfen, mögliche Nebenwirkungen frühzeitig zu erkennen und die Therapie bei Bedarf individuell anzupassen.

Gutes oder schlechtes Cholesterin – was sagt die moderne Medizin?

Früher lag der Fokus oft auf dem sogenannten „guten“ HDL-Cholesterin – je höher, desto besser, so die Annahme. Heute weiß man: HDL ist zwar schützend, aber kaum beeinflussbar. Seine Höhe ist größtenteils genetisch bedingt und lässt sich durch Lebensstil oder Medikamente nur gering verändern.

Viel wichtiger ist das LDL-Cholesterin – das „schlechte“ Cholesterin. Es gilt als klar atherogen, das heißt, es fördert Gefäßverkalkungen und erhöht damit das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall und andere schwere Erkrankungen – besonders bei zusätzlichen Risikofaktoren wie Diabetes oder Rauchen.

Die moderne Medizin konzentriert sich deshalb auf die gezielte Senkung des LDL-Cholesterins, sei es durch Lebensstilveränderungen oder – wenn nötig – medikamentös. Denn: Niedriges LDL schützt die Gefäße und senkt nachweislich das kardiovaskuläre Risiko.

Darmmikrobiom – was unsere Darmbakterien mit Cholesterin zu tun haben

Das Darmmikrobiom – also die Gesamtheit der Bakterien im Verdauungstrakt – ist aktuell ein großes Thema in der Medizin. Es beeinflusst die Aufnahme, den Abbau und die Ausscheidung von Cholesterin im Körper. Studien zeigen: Menschen mit günstigen Cholesterinwerten (hohes HDL, niedriges LDL) haben oft ein anderes Mikrobiom als Menschen mit ungünstigen Werten. Was Ursache und was Folge ist, lässt sich derzeit allerdings noch nicht eindeutig sagen.

Zukunftsvision: Die gezielte Beeinflussung des Mikrobioms könnte eines Tages Teil der Cholesterintherapie werden – doch die Forschung steht hier noch ganz am Anfang.

Könnte gesunde Ernährung als Einflussfaktor relevant werden? „Theoretisch ja, praktisch ist es aber schwierig. Denn das Mikrobiom ist hochkomplex, individuell verschieden und kann je nach Darmabschnitt ganz unterschiedliche Effekte haben“, betont der Experte. Teure Mikrobiom-Tests für den Privatgebrauch bringen derzeit keinen echten Nutzen – außer für den Anbieter.

Cholesterinspritze: Moderne Therapie bei Fettstoffwechselstörungen

Die sogenannte Cholesterinspritze ist eine neue Option für Menschen mit erhöhtem LDL-Cholesterin, bei denen klassische Medikamente wie Statine nicht ausreichen oder nicht vertragen werden. Gemeint sind PCSK9-Hemmer und PCSK9-Synthesehemmer, die gezielt in den Cholesterinstoffwechsel eingreifen und den LDL-Spiegel im Blut deutlich senken – und damit das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall reduzieren. Verabreicht werden sie als Spritze – entweder alle zwei Wochen oder, bei Synthesehemmern, nur zweimal im Jahr. Nebenwirkungen sind selten, mögliche Beschwerden sind lokale Reaktionen oder leichte Infekte. Diese Medikamente sind sehr potent in der Senkung des LDL. Sie sind aber auch sehr teuer. „Insofern gibt es Regeln, für welche Patientinnen und Patieten diese Medikamente infrage kommen“, weiß Prim. Dr. Willhelm Wlassits.

Nicht nur Übergewichtige betroffen – auch schlanke Menschen!

Fettstoffwechselstörungen können auch genetisch bedingt sein. Hinweise darauf sind frühe Herzinfarkte oder Schlaganfälle in der Familie. Diese sogenannten familiären Hypercholesterinämien bleiben oft lange unbemerkt, machen sich aber durch schwere Spätfolgen bemerkbar. Wer betroffen ist, sollte frühzeitig behandelt werden – je früher, desto besser.

Einmal geschädigte Gefäße lassen sich nur schwer reparieren. Deshalb ist es wichtig, Risikofaktoren wie hohe LDL-Werte rechtzeitig zu erkennen – etwa bei einer Gesundheitsuntersuchung, auch schon in jungen Jahren.

Vorsorge: Was kann man selbst tun?

„Generell halte ich von den vielen Diäten, die derzeit propagiert werden und mit denen man viel Geschäft machen kann, wenig“, so der Experte. Empfohlen wird eine pflanzenbasierte, fettarme, fischreiche Ernährung nach dem Vorbild der Mittelmeerdiät sowie täglich mindestens eine Stunde moderate Bewegung, bei der man leicht ins Schwitzen kommt – das senkt die Blutfette und stärkt das Herz. Stress vermeiden! Denn Dauerstress erhöht das LDL-Cholesterin über hormonelle Wege. Zusätzlich führt Stress häufig zu ungesunden Verhaltensmustern wie Alkohol, Rauchen oder Schlafmangel – alles Risikofaktoren für Herz und Gefäße.