Wie viel Sonne brauchen wir und was ist zu viel? Die Antwort darauf hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert. „Grundsätzlich ist die Sonne für Lebewesen eine wichtige Energiequelle und eine Quelle des Wohlbefindens. Aber eine hell leuchtende Sonne hat leider auch ihre Schattenseiten“, betont Prim. Univ.-Prof. Dr. Mag. Martin Pichler, MBA, Leiter der Abteilung für Onkologie und Palliativmedizin in der Klinik Oberwart. Diese können sich in Form von Hautschäden und bösartigen Erkrankungen der Haut, wie Hautkrebs, äußern.
Die Auswirkungen des Klimawandels sind nicht nur spür- sondern auch messbar. Es wird heißer, es wird trockener, es gibt mehr Sonnentage. „Wenn wir auf die nackten Zahlen blicken, zeigt sich, dass der sogenannte schwarze Hautkrebs, auch Melanom genannt, was die Häufigkeit betrifft, aktuell stagniert“, so der Experte. In den vergangenen zehn bis zwanzig Jahren hatte sich ein starker Anstieg dieser Krebserkrankung gezeigt. In Österreich erkranken rund 2.000 Menschen pro Jahr an einem Melanom – Männer etwas häufiger als Frauen. Derzeit leben, Schätzungen zufolge, ca. 27.000 Menschen mit einer Melanom-Diagnose. Heruntergebrochen auf das Burgenland bedeute dies geschätzt etwa 30 bis 50 Neuerkrankungen pro Jahr.
Braungebrannt als Schönheitsideal?
Braungebrannt galt viele Jahre lang als Schönheitsideal und als Zeichen des Wohlstandes. „Die Werbung für gesunde Bräune, wie wir sie aus den 1980er- und 1990er-Jahren kennen, nimmt ab. Die jüngeren Generationen leben hier bereits bewusster“, weiß der Onkologe. Leider würde die Gefahr dennoch von einigen noch immer auf die leichte Schulter genommen. „Wir sehen auch immer wieder junge Patientinnen und Patienten mit schwarzem Hautkrebs in der Klinik.“ Der Primar fordert vermehrte Aufklärungs- und Vorsorgekampagnen zur Bewusstseinsbildung.
Tipps zur Vorsorge
Guter Sonnenschutz ist oft nicht billig. Es gibt jedoch, abgesehen von teuren Cremen, preiswerte Möglichkeiten, sich zu schützen. Der einfachste Schutz sei, Sonnenstrahlen zu meiden und nicht in die Sonne zu gehen. „Ist das aufgrund des Berufs oder des Freizeitverhaltens nicht möglich, dann kann man die Sonnenbestrahlung durch eine langärmlige Kleidung vermeiden. Ganz wichtig ist eine Kopfbedeckung, der Kopf ist der Sonnenstrahlung am nächsten und am meisten ausgesetzt“, präzisiert Primar Pichler. Generell gilt: Sogenanntes „Sonnenbraten“ ist zu vermeiden. Beim Schwimmen selbst ist zu beachten, dass Wasser die Wirkung der Strahlung nicht abschirmt. Zudem wird ein Teil der Sonnencreme abgewaschen. Der Rat des Experten: Vor dem Schwimmengehen gut eincremen und einwirken lassen. Nach dem Schwimmen immer nachcremen!
Babys sollten übrigens überhaupt nicht direkt der Sonneneinstrahlung, etwa am Strand, ausgesetzt werden. „Bei Babys ist die Haut besonders empfindlich und besonders gefährdet. Hier sollte jegliche Sonneneinstrahlung vermieden werden.“ Eincremen mit Sonnencreme alleine sei nicht ausreichend.
Sonnenschutz sollte im Sommer prinzipiell Teil der täglichen Routine sein. „Sonnenschutz sollte genauso wie die Zahnbürste oder der Rasierapparat einfach dazugehören und bewusst und aktiv ins tägliche Leben eingeschlossen sein“, pocht der Onkologe.
Selbstuntersuchung und Vorsorgeuntersuchung
Es gibt zu wenig Kassenhautärzt*innen in Österreich. Termine bei niedergelassenen Hautärzt*innen sind oft schwer zu bekommen. „Grundsätzlich gilt für Risikogruppen ab 50 bis 60 Jahren, dass diese zumindest einmal im Jahr zu einer Vorsorgeuntersuchung zum Hautarzt gehen sollten“, empfiehlt Primar Dr. Pichler. Und er rät generell zur regelmäßigen Selbstuntersuchung. Stellt jemand eine Veränderung fest, sollte unmittelbar ein Termin beim Hautarzt bzw. der Hautärztin vereinbart werden. Welche Veränderungen sollten aufhorchen lassen? Wenn sich ein Muttermal in Größe oder Form verändert, es ausfranzt oder über das Hautniveau hinauswächst, sprich erhaben wird, es die Farbe verändert, blutet, schuppt oder juckt. Das seien alles Alarmsignale.
Bei der Selbstuntersuchung unterstützen können auch sogenannte Hautkrebs-Apps. Hier können Bilder von Hautveränderungen ganz einfach hochgeladen kann. Mit Hilfe von Algorithmen und KI wird eine Beurteilung erstellt, ob eine weitere Untersuchung notwendig ist. In den vergangenen Jahren hat sich im Bereich der technischen Hilfsmittel durch moderne Technologien und durch die künstliche Intelligenz sehr viel verändert. „Das wird in den nächsten Jahren sicherlich dazu führen, dass Beurteilungen und Diagnosen durch moderne Bildverarbeitung und KI ein Vorscreening erlauben werden. Der Ersatz des Hautarztes ist aus meiner Sicht allerdings noch nicht absehbar“, erklärt der Primar.
„Die Selbstuntersuchung ist wichtig, um früh erste Veränderungen bemerken zu können. Die professionelle ärztliche Untersuchung sollte vom Hautarzt durchgeführt werden“, betont der Onkologe. Die Vorsorgeuntersuchung beim Hautarzt erfolgt mithilfe eines sogenannten Auflichtmikroskops. Damit können Expert*innen Hautveränderungen feststellen, die dem medizinischen Laien bzw. der medizinischen Laiin vorenthalten bleiben, und auch für den Verlauf abspeichern.
Früherkennung rettet Leben
Menschen mit heller Hautfarbe, vielen Muttermalen und Sommersprossen sind besonders gefährdet, an Hautkrebs zu erkranken. Die Häufigkeit steigt auch mit dem Alter. Deshalb sollte gerade bei älteren Menschen besonders auf Hautveränderungen geachtet werden – eventuell auch durch die Angehörigen. Im Zweifelsfall bzw. beim Feststellen von Veränderungen ist es ratsam, professionelle Hilfe in Anspruch nehmen.
Das Heimtückische an Hautkrebs ist, dass er lange unentdeckt bleiben kann. Vor allem der weiße Hautkrebs, sogenannte Plattenepithelkarzinome oder Basaliome, entwickeln sich infolge von Sonneneinstrahlung oft sehr langsam und über mehrere Jahre. Andererseits gibt es beim sogenannten schwarzen Hautkrebs, auch Melanom genannt, häufig ein rasches Tumorwachstum. „Auch junge Menschen können bereits davon betroffen sein, deshalb jede Veränderung abklären lassen“, warnt der Leiter der Abteilung für Onkologie und Palliativmedizin.
Je früher man den Krebs erkennt, desto besser sind die Heilungsaussichten und die Behandlungsmöglichkeiten. Früher Hautkrebs, der auf die Haut begrenzt ist, kann meist durch eine Operation entfernt werden. Die Prognose ist in solchen Fällen exzellent. „Wartet man jedoch mit der Abklärung oder übersieht sie, dann kann sich der Krebs in der Haut weiter ausbreiten, tiefere Schichten mitbetreffen oder aber in Lymphknoten abwandern oder über den Blutweg sogenannte Fernmetastasen bilden“, erklärt der Experte. Dann komme keine chirurgische Lösung mehr in Betracht, sondern man müsse auf medikamentöse Lösungen zurückgreifen.
Das Melanom stellt eine spezielle Krebserkrankung dar, die durch Sonnenbestrahlung und UV-Licht begünstigt wird. „Wir wissen heute, dass Krebserkrankungen vor allem durch Veränderungen in der genetischen Information aus gesunden Hautzellen entstehen können. Durch die Veränderungen nehmen diese ein bösartiges Verhalten an“, schildert Primar Pichler. Das bedeutet, dass die Zellen in der Haut Eigenschaften entwickeln, die es ihnen ermöglichen, in das umliegende Gewebe einzuwandern und in Blut- bzw. Lymphgefäße auszuwandern und sich in anderen Körperregionen anzusiedeln.
Die gute Nachricht: In den vergangenen zwei Jahrzehnten haben sich die Therapiemöglichkeiten drastisch verbessert. „Wir können heute durch spezielle Therapiemöglichkeiten – sogenannte Immuntherapien, aber auch zielgerichtete Therapien –, die selbstverständlich auch im Burgenland angeboten werden, die Prognose selbst bei weit fortgeschrittenen metastasierten Melanom-Erkrankungen drastisch verbessern. Sogar bei einer Ausbreitung des Melanoms kann in manchen Fällen ein chronischer Verlauf der Erkrankung für viele Jahre oder sogar eine Heilung herbeigeführt werden“, macht der Mediziner Hoffnung.
Schluss mit Mythen
Rund um den Sonnenschutz ranken sich nach wie vor zahlreiche Mythen.
Mythos 1: Ein Sonnenbrand härtet ab.
Ein Sonnenbrand bedeutet nichts anderes, als dass die Haut zu viel Sonnenlicht abbekommen hat und die obersten Hautschichten absterben. Es gilt Sonnenbrände immer zu vermeiden, besonders bei Kindern, denn hier entwickeln sich Schäden, die ein Leben lang bleiben.
Mythos 2: Bräune schützt die Haut vor Sonnenbränden.
Besuche im Solarium sollten vermieden werden. Bräune ist ein Zeichen, dass sich die Haut an die Sonnenstrahlung anpasst und dass man bereits der Strahlung exponiert war. Die Sonne hat also bereits auf die Haut eingewirkt. Man sollte dies nicht als gesunde Bräune definieren.
Mythos 3: Bei bewölktem Himmel braucht man keinen Sonnenschutz.
Sonnenstrahlung dringt auch durch die Wolkenschicht durch. Deshalb braucht man auch an bewölkten Tagen einen effektiven Sonnenschutz. Schatten ist als Schutzmechanismus, speziell in Bädern, empfohlen.