Gelenksschmerzen richtig deuten

Primaria Lea Verner im weißen Arztmantel im Porträt
Primaria Dr.in Lea Verner, Internistin und Rheumatologin an der Klinik Kittsee sprach in der Radio Burgenland Sprechstunde zum Thema Gelenksschmerzen und wie man diese richtig deutet.

Mehr als 140 Gelenke im Körper sorgen dafür, dass wir gehen, laufen oder tanzen können. Sie sind oft enormen Belastungen ausgesetzt. Gelenksschmerzen sind daher ein weit verbreitetes Problem. Die Ursachen sind vielfältig, die Diagnose mitunter schwierig. Wie man die wichtigsten Unterschiede zwischen Arthrose, rheumatoider Arthritis und Gicht erkennt, weiß Rheumaspezialistin, Internistin sowie Leiterin der Abteilung für Inneres an der Klinik Kittsee Primaria Dr.in Lea Verner. Alle drei Erkrankungen betreffen in erster Linie immer die Gelenke, das haben sie gemeinsam. Der große Unterschied liegt in der Ursache für die Entzündung.

„Bei der Arthrose handelt es sich in der Regel um eine Verschleißerscheinung, also eine Abnützungserscheinung, im weiteren Sinne ein Alterungsprozess. Bei übermäßiger Belastung der Gelenke kommt es früher dazu und kann bereits in jüngeren Jahren zu einer Gelenksentzündung führen“, weiß die Expertin. Die rheumatoide Arthritis – die klassische Rheumaerkrankung – ist indes eine Autoimmunreaktion des Körpers. Hierbei entwickelt der Körper aus bisher nicht bekannten Gründen Antikörper. Diese richten sich gegen das Gelenk und die Gelenkinnenhaut und führen zu einer Entzündungsreaktion. Die Folge sind Schwellungen oder – unbehandelt – sogar eine Zerstörung des Gelenks. Die Gicht wird einerseits durch einen gewissen Lebensstil und andererseits durch eine erbliche Veranlagung hervorgerufen. Dabei kommt es zur Ablagerung der klassischen Harnsäurekristalle im Gelenk. Diese verursachen ebenfalls eine Entzündungsreaktion. Die Reaktion ist bei allen drei Erkrankungen ähnlich: Das Gelenk tut weh, es schwillt an, wird heiß und bewegungsunfähig.

„Tritt eine Gelenksschwellung akut, also quasi über Nacht auf, sollte immer unmittelbar ärztlicher Rat eingeholt werden. Auch Hausärzte oder Hausärztinnen können gut einordnen, ob eine Behandlung in der eigenen Praxis oder der Gang zu Spezialistinnen oder Spezialisten nötig ist“, rät die Primaria.

Unterschiedliche Erkrankung, unterschiedliche Verläufe

Die Arthrose hat meist einen schleichenden Verlauf, d.h. die Symptome beginnen langsam und werden immer stärker, etwa durch körperliche Belastungen oder Fehlbelastungen. Die Arthrose kann aber auch einen schubartigen Entzündungsverlauf nehmen, ähnlich dem einer Rheumaerkrankung. Bei der rheumatoiden Arthritis kann der Verlauf ebenfalls schleichend sein. Meist aber verläuft er akut und tritt innerhalb kürzerer Zeiträume auf. Patient*innen sind während eines Schubs eingeschränkt mit starken Gelenkschmerzen, so die Medizinerin. Ähnlich sei dies auch bei der Gicht. Sie tritt immer akut von heute auf morgen auf.

Grundsätzlich sollenGelenksbeschwerden immer ernst genommen werden. Eine frühzeitige Behandlung bei Rheuma kann die Zerstörung des Gelenks und den Funktionsverlust verhindern. Wichtige Anhaltspunkte für eine schnelle Diagnose sind: Wann treten die Beschwerden auf? Nach einer Belastung, einer Fehlbelastung, im Zusammenhang mit der Ernährung oder ohne Zusammenhang? Welche Gelenke sind betroffen? Ist es nur eines oder sind es mehrere? Sind die oberen Extremitäten oder die Füße betroffen? „Wenn Ärzt*innen das betroffene Gelenk bei einem schubhaften Verlauf zu einem Zeitpunkt sehen, wo die Entzündungsreaktion weniger oder gar nicht vorhanden ist und auch die Schmerzen wenig sind, sind sie auf die Beobachtungen der Patient*innen angewiesen, um eine Diagnose zu stellen", verdeutlicht Primaria Lea Verner. Oft würden Patient*innen, gerade bei Arthrosen, wo der Beginn oft langsam ist, zu lange warten, um ärztlichen Rat einzuholen. Ist die Erkrankung bereits stark fortgeschrittenen, müssen auch operative Maßnahmen in Betracht gezogen werden.

Ärztlichen Rat suchen

Wenn ein Gelenk plötzlich anschwillt oder über mehrere Tage angeschwollen ist und es zusätzlich zu einem krankhaften Allgemeinzustand kommt, sollte unbedingt ärztlicher Rat eingeholt werden. „Man fühlt sich nicht gesund, hat schmerzende Gelenke, eventuell auch Fieber oder gar Schüttelfrost“, verdeutlicht die Primaria. Sollte kein schneller Termin in einer rheumatologischen Praxis oder Ambulanz zu erhalten sein, können auch Hausärzt*innen und Internist*innen konsultiert werden, auch wenn die Diagnosestellung nicht immer einfach ist. Es gibt unzählige Krankheiten, die in den Bereich Rheuma fallen, nicht nur die klassische rheumatoide Arthritis, welche die Gelenke befällt. Bei zahlreichen Unterformen kann auch das Muskelgewebe betroffen sein. Generelle Leistungseinschränkungen oder Fatigue sind möglich. „Es gibt viele Symptome, die in erster Linie gar nicht auf eine Rheumaerkrankung schließen lassen“, weiß die Expertin. Diese seien für Nicht-Spezialist*innen manchmal schwer mit Rheuma in Verbindung zu bringen. Grundsätzlich gilt: Wenn Gelenke weh tun und noch weitere Symptome dazukommen, sollte man immer an eine rheumatologische Erkrankung denken. Blutuntersuchungen können wichtige Hinweise geben.

Die Krankheit der tausend Gesichter

Bis eine Rheumaerkrankung diagnostiziert wird, vergeht häufig viel Zeit. Für die meisten rheumatologischen Erkrankungen existieren keine eindeutigen Laborwerte, sodass sie oft nicht zweifelsfrei beweisbar sind. Daher ist es wichtig, Patient*innen stets ganzheitlich zu betrachten – mithilfe von Röntgenaufnahmen, Blutuntersuchungen und weiteren umfassenden Diagnoseschritten. Je mehr Kriterien auf eine rheumatologische Erkrankung hindeuten, desto sicherer lassen sich Diagnose und Behandlungsweg festlegen. Eine rheumatologische Untersuchung ist daher immer ein umfassender medizinischer Check-up.

Ist Prävention möglich?

Autoimmunerkrankungen lassen sich nicht verhindern. Tritt eine solche Erkrankung jedoch auf, kann ein gesunder Lebensstil den Verlauf positiv unterstützen. Um Arthrosen vorzubeugen, spielt Bewegung eine zentrale Rolle. Auch wenn bereits eine Arthrose besteht, sollten die Gelenke regelmäßig und schonend bewegt werden. Wichtig ist, Fehlbelastungen zu vermeiden und die Muskulatur zu stärken bzw. zu erhalten. Ein gut trainierter Stütz- und Bandapparat ist für die Gelenksgesundheit entscheidend. Grundsätzlich gilt: Je früher man mit regelmäßiger Bewegung beginnt, desto besser. Empfehlenswert sind vor allem gelenkschonende Aktivitäten – idealerweise an der frischen Luft, was zusätzlich das Herz-Kreislauf-System stärkt.

Fehlbelastungen sollten möglichst vermieden werden. Hier kann eine orthopädische Abklärung hilfreich sein, um mithilfe körperlicher Untersuchungen oder Röntgenbildern festzustellen, ob eine Fehlstellung oder Überlastung vorliegt.

Sportarten wie Tennis, Eishockey oder andere intensive Ballsportarten belasten die Gelenke stärker. Dagegen wirken Laufen, Walken oder Radfahren in der Regel gelenkschonender – vorausgesetzt, sie passen zur individuellen Gelenksituation. Bei Wirbelsäulenproblemen ist Radfahren etwa nicht immer geeignet, während hartes Lauftraining bei Knie- oder Sprunggelenksbeschwerden Probleme bereiten kann. Welche Sportart im Einzelfall sinnvoll ist, sollte individuell entschieden werden. Besonders gelenkfreundlich sind Schwimmsportarten, da sie viele Gelenke entlasten und gleichzeitig die Muskulatur kräftigen.

Linderung: Wärme oder Kälte, was wirkt besser?

„Das kann unterschiedlich sein. Gut ist es, sich an den ärztlichen Rat zu halten“, so Primaria Verner. Beim arthrotischen Gelenk hilft meist Wärme. Besonders in der kalten Jahreszeit, wo Beschwerden oft deutlich verstärkt sind, können etwa Wärmebäder Linderung verschaffen. Bei der rheumatoiden Arthritis, wenn das Gelenk akut entzündet und geschwollen ist, ist das indes kontraproduktiv. Hier sind kühlende, entzündungshemmende Maßnahmen die richtige Wahl.