Endometriose und Unterleibsschmerzen: Diagnose oft "detektivische Arbeit"

Oberärztin Dr. Simone Gutmann von der Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe in der Klinik Oberpullendorf sprach in der "Radio Burgenland Sprechstunde" am 23. Mai 2024 mit ORF-Moderatorin Nicole Aigner über das Tabuthema "Frauenleiden".

Fast keine Frau, die das Problem nicht kennt – Unterleibsschmerzen. Mal ziehend, dann krampfend oder pochend. So unterschiedlich sich die Schmerzen anfühlen, können auch die Ursachen sein. In vielen Fällen stehen die Schmerzen in Zusammenhang mit der Menstruation, aber nicht immer. „Ursachen für Unterleibsschmerzen können im Bereich der Gynäkologie Erkrankungen der Eierstöcke oder Zysten sein oder auch akute Schmerzen, wie bei einer Eileiterschwangerschaft. Schmerzen können auch durch Myome verursacht werden, das sind Wucherungen der Gebärmuttermuskulatur. Diese kommen oft bei jungen Frauen im gebärfähigen Alter vor. Zudem muss man die Endometriose erwähnen. Und natürlich könnten auch Krebserkrankungen eine Ursache für Unterleibsschmerzen sein“, schildert Oberärztin Dr. Simone Gutmann von der Klinik Oberpullendorf die möglichen Ursachen für Schmerzen im Unterleib von Frauen.

Welche Organe können noch schuld an Schmerzen sein? Gerade bei akuten Schmerzen sei es wichtig, auch an andere Organe zu denken, erklärt Oberärztin Dr. Simone Gutmann. Sehr häufig seien es Darmerkrankungen – von der akuten Blinddarmentzündung bis zu chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen, wie Morbus Crohn oder eine Colitis ulcerosa. Aber auch eine Verstopfung könne einmal wehtun. Zudem könnten Harnwegsentzündungen, Nierensteine oder auch Bandscheibenprobleme, die bis ins Becken ausstrahlen, Schmerzen verursachen. Letztere müssten „gut abgeklärt“ und zwischen akut und chronisch unterschieden werden.

Viele Frauen leiden regelmäßig unter mehr oder weniger heftigen Menstruationsbeschwerden. Doch wann gilt ein Schmerz als chronisch? „Als chronisch bezeichnet man Schmerzen nach etwa drei bis sechs Monaten Dauer“, erklärt die Expertin. Bei besonders starken Menstruationsschmerzen gibt es Hilfe. Leichte Schmerzen während der Menstruation seien normal. Alles, was darüber hinausgehe – wenn Patientinnen etwa einen hohen Leidensdruck oder eine Beeinträchtigung im Alltag haben – wird als Dysmenorrhö bezeichnet und sollte auch behandelt werden. Nicht selten sei die Ursache Endometriose, eine chronische Erkrankung, die sehr viele Frauen betrifft. „Dabei geht es um Schmerzen, die typischerweise kurz vor der Regel beginnen und die Regel begleiten. Patientinnen nehmen oft sehr viele Schmerzmittel ein“, berichtet die Gynäkologin von ihren Erfahrungen. Die Klinik Oberpullendorf bietet in einer eigenen Endometriose-Ambulanz Hilfe an – mit ausführlicher Anamnese, inklusive Bestimmung von Schmerzcharakter, Schmerzintensität sowie Ultraschalluntersuchung. „Gerade bei Endometriose ist es sinnvoll, dass man ein gemeinsames und langfristiges Therapiekonzept entwickelt, weil Frauen die Schmerzen über eine sehr lange Zeit betreffen. Oft sind auch schon junge Frauen betroffen. Hier sollte man auch immer an den Kinderwunsch denken. Denn Endometriose kann diesen nämlich beeinträchtigen.“

Bessere Diagnosemöglichkeiten

Heutzutage ist Endometriose einfacher zu diagnostizieren. Außerdem seien Gynäkologinnen und Gynäkologen immer besser geschult. Besonders wichtig aber sei, dass die Ultraschalldiagnose immer besser wird. „Früher brauchte man für die Diagnose eine Operation, also eine Bauchspiegelung, wo man Biopsien entnommen hat und die Diagnose histologisch gestellt wurde. Heutzutage kann die Diagnose rein mit Ultraschall und einer Anamnese gestellt werden. In seltenen Fällen brauchen wir eine MRT-Untersuchung dafür“, schildert Dr. Gutmann den Ablauf. Dennoch sei die Diagnose einer Endometriose nicht immer einfach, manchmal sogar „detektivische Arbeit“. Besonders wichtig dabei sei das Gespräch mit der Patientin. „Allein aus dem Gespräch kann ich schon sehr sehr viel heraushören. Gerade bei sehr jungen Patientinnen sehe man die Endometriose im Ultraschall nämlich nicht.

Umgang mit Schmerzen

Nicht selten werden Unterleibsschmerzen mit Mitteln aus der Apotheke selbst therapiert. Wie sollte der richtige Umgang mit Schmerzen aussehen? „Es ist sicher kein Problem, wenn man einmal eine Schmerztablette nimmt, sich ein Kirschkernsackerl oder einen Thermophor auflegt“, so Dr. Simone Gutmann. Die meisten Patientinnen könnten die Schmerzen gut unterscheiden und wüssten, wann sie zum Arzt gehen sollen. „Lieber einmal zu oft“, so die Meinung der Expertin. Häufig wiederkehrende Regelschmerzen müssten nicht hingenommen werden. Viele Frauen würden Regelschmerzen auch heutzutage noch viel zu oft einfach hinnehmen. Hier gelte es, noch Aufklärungsarbeit zu betreiben.

Welche Mittel können bei Unterleibsbeschwerden lindernd wirken? Bei der Endometriose gibt es drei große Eckpfeiler: Schmerztherapie, hormonelle Therapie oder Operation. „Man weiß, dass vielen Endometriose-Patientinnen auch eine alternative Therapie hilft. Deshalb haben wir in der Klinik Oberpullendorf ein Netzwerk mit Physiotherapeuten, Ernährungsmedizinern, Homöopathen und Psychologen. Unterstützende Maßnahmen wie Yoga, Ernährungsumstellung oder Akupunktur helfen vielen Patientinnen“, weiß die Oberärztin.

Schmerzen schlagen sich häufig auch auf die Psyche nieder. Sie können auch eine Reihe von weiteren Beschwerden auslösen – von Schwindelgefühlen bis hin zu Übelkeit. Vom Umfeld werden diese Art von Schmerzen oft belächelt. „Das höre ich von meinen Patientinnen ganz oft. Das schafft zusätzlich zu den Schmerzen einen hohen Leidensdruck“, erklärt Dr. Simone Gutmann.

Nach wie vor ist das Feld der sogenannten „Frauenleiden“ oftmals ein großes Tabu. Viele Frauen schleppen sich trotz Schmerzen in die Arbeit. Ist hier ein Umdenken gefragt? „Auf jeden Fall und ich glaube, es kommt auch langsam bei den Fachkollegen an. Ja, es gibt Endometriose und chronische Unterleibsschmerzen“, plädiert auch die Expertin für ein Umdenken. Dabei helfen würden auch Selbsthilfegruppen. Der Umgang mit der Menstruation sei im Umbruch. Vorbilder wie Sportlerinnen helfen dabei oder auch das Internet. Das Schamgefühl, darüber zu sprechen, schwinde immer öfter. Dies würde sie vor allem bei jungen Patientinnen wahrnehmen, die in der Ambulanz etwa auch offen über Schmerzen beim Geschlechtsverkehr berichten.

Das Interview im Podcast zum Nachhören gibt es hier!