Depressionen: „Psychische Erkrankungen sind leider noch immer ein Tabuthema.“

Am 23. Juni 2022 drehte sich die „Radio Burgenland Sprechstunde“ um das Thema „Depressionen und Angststörungen“. ORF-Moderator Marin Berlakovich sprach dabei mit dem Facharzt für Psychiatrie und psychotherapeutischer Medizin der Sozialen Dienste Burgenland, Dr. Gerhard Miksch.

Die andauernde Corona-Pandemie belaste Erwachsene und Kinder, neuere Untersuchungen zeigen dabei eine Zunahme an Depression von bis zu 25 Prozent. Auch der Krieg in der Ukraine und die daraus resultierenden Teuerungen seien eine zusätzliche Belastung für viele Menschen.Dr. Gerhard Miksch in Radio Burgenland: „Die Patientinnen und Patienten klagen über Angststörungen. Ältere Personen werden mitunter durch den Krieg in der Ukraine an eigene Kriegserfahrungen erinnert und bekommend dadurch Angstzustände. Auch Schlafstörungen und depressive Verstimmungen sind übliche Symptome einer Depression.“

Hilfe für Betroffene

Wenn Personen das Gefühl haben, sie brauchen Hilfe, kann die erste Anlaufstelle der Hausarzt oder die Hausärztin sein. „Hier gibt es meist eine gute Beziehung zu den Patienten. In weiterer Folge ist es aber sinnvoll, sich bei Depressionen oder anderen schwierigeren Krankheitszuständen an den Psychosozialen Dienst Burgenland zu wenden. Dieser hat in jedem Bezirksvorort eine Beratungsstelle“, erklärt der Chefarzt. Leider seien psychische Erkrankungen in unserer Gesellschaft noch immer ein Tabuthema aber: „Es ist aber keine Schande eine psychische Erkrankung zu haben. Genau wie bei einer physischen Erkrankung sollte man zu einem Arzt oder einer Ärztin gehen und sich behandeln lassen. Angehörige sollten dabei eine Unterstützung sein.“ Es sei leider nach wie vor so, dass Personen ihre Depressionen eher verstecken. „Ein Aufbruch bei der Tabuisierung von psychischen Krankheiten ist noch immer marginal“, erläutert Dr. Miksch.

Depression, Angst- und Zwangsstörungen

Depressionen werden oft als „großes schwarzes Loch“ beschrieben, in das man hineinfällt. „Diese Beschreibung ist sehr zutreffend, weil viele Patientinnen und Patienten schildern, dass sie einfach nicht mehr weiterkönnen“, so Dr. Miksch. „Wenn man nun zu einem Facharzt oder eine Fachärztin für Psychiatrie geht, wird eine Diagnose gestellt und der Patient oder die Patienten bekommt Antidepressiva verschrieben. Das Eintreten der Wirkung von Antidepressiva dauert allerdings einige Wochen“, erklärt Dr. Miksch. Bei einer mittleren bis schweren Depression sei eine medikamentöse Behandlung absolut notwendig, die Behandlung sollte aber auch mit einer Psychotherapie kombiniert werden.

Bei Angststörungen und Panikattacken sei Psychotherapie auch hilfreich, insbesondere besondere Formen wie autogenes Training oder Biofeedback: „Hier lernt man, Panik- oder Angstattacken mittels Atemübungen in den Griff zu bekommen.“ Anzeichen für Panikattacken seien Beklemmungsgefühl, Herzrasen oder das Gefühl, man müsse sterben. „Panikattacken treten meistens in Ruhe und nicht unter Belastung auf“, erläutert der Chefarzt.

Zwänge sind eine weitere Art, wie unsere Psyche auf zu viel Stress reagieren kann. „Diese fangen oft harmlos an, man muss zum Beispiel zwei Mal nachschauen, ob man die Kaffeemaschine abgedreht hat. Dies kann sich aber steigern, so dass man komplette Rituale entwickelt, die gemacht werden müssen, bevor man das Haus verlässt“, erzählt der Facharzt. Dabei können solche Zwänge das Leben sehr kompliziert machen, wenn diese Rituale mehr als zehn Minuten in Anspruch nehmen, sollte über Hilfe nachgedacht werden.

Stationäre Behandlung nur in Krisenfällen notwendig

Die meisten psychischen Erkrankungen könne man zu Hause behandeln. „Die Behandlung kann beim Hausarzt oder bei der Hausärztin beginnen, man kann zum Facharzt beziehungsweise zur Fachärztin oder zum Psychosozialen Dienst gehen oder ambulante Psychotherapie in Anspruch nehmen. Nur in Krisenfällen ist es notwendig, ins Krankenhaus zu gehen zum Beispiel, wenn Personen akut suizidal sind. Reha-Aufenthalte sind für Personen sinnvoll, die im Arbeitsprozess stehen und eine längere depressive Episode hinter sich haben“, so der Chefarzt.

Verbindung von Long-Covid und psychischen Erkrankungen

Viele Symptome von Long-Covid haben auch mit der Psyche zu tun. „Wenn Menschen antriebs- und kraftlos sind, schlecht schlafen und ihre kognitiven Fähigkeiten eingeschränkt sind, so sind dies auch Symptome einer depressiven Erkrankung. Mittlerweile weiß man auch aus Studien, dass Menschen, die eine Depression gehabt haben, nach einer Covid-Erkrankung eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für eine erneute Depression haben“, erläutert Dr. Miksch. Eine spezifische Therapie für Betroffene von Long-Covid hält der Facharzt für wünschenswert.

Positive Gedanken in der Krise

Um die Krisen um uns herum besser bewältigen zu können, rät Chefarzt Dr. Miksch zu erhöhter Selbstachtsamkeit: „Es ist nicht sinnvoll, sich die ganze Zeit Nachrichten über den Krieg anzuschauen. In seiner Freizeit sollte man mit Freunden oder Familie sinnvolle und erfreuliche Augenblicke genießen und den Blick auf die schönen Seiten des Lebens wenden.“

Jeden zweiten Donnerstag auf Radio Burgenland

Die „Radio Burgenland Sprechstunde“ wird jeden zweiten Donnerstag von 15 bis 16 Uhr auf Radio Burgenland ausgestrahlt. Ärztinnen und Ärzte der KRAGES sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Sozialen Dienste Burgenland antworten in der Sendung auf Fragen der Moderatorinnen und Moderatoren zu aktuellen Gesundheitsthemen.

"Radio Burgenland Sprechstunde" - Landesstudio Burgenland (orf.at)