Bluthochdruck wird oft unterschätzt und bleibt nicht selten lange unerkannt. „Wenn man Anzeichen bzw. Beschwerden hat, dann ist der Feind sozusagen bereits in der Burg“, erklärt Primarius Dr. Gerhard Puhr, der Leiter der Abteilung für Innere Medizin in der Klinik Güssing in der Radio Burgenland Sprechstunde. Bluthochdruck existiert nämlich oftmals jahrelang ohne Beschwerden. „In der Medizin ist Bluthochdruck der stille Killer, weil er für Folgekrankheiten verantwortlich ist, die zum Tod führen“, betont der Experte. Mögliche Warnzeichen seien wiederkehrende Kopfschmerzen, Unwohlsein, Atemnot bei geringer körperlicher Belastung, Herzklopfen, aber auch Angespanntheit bei psychischen Belastungen sowie ein Erschöpfungszustand ohne klare Ursachen.
„Alle sollten ihre eigenen Werte kennen“
Bei Werten von 130/80 liegt der Blutdruck im Normbereich. Er ist eine Orientierungshilfe, denn natürlich sei je nach Alter und Geschlecht zu differenzieren. Alles was über dem Wert liegt, gilt als erhöht und bedarf in unterschiedlicher Form einer Behandlung, welche abzustimmen ist, so der Spezialist. Er empfiehlt ab dem 40. Lebensjahr, zumindest einmal im Jahr, im Zweifelsfall auch mehrmals – eventuell im Rahmen einer Gesundenuntersuchung –, den Blutdruck messen zu lassen. „Alle sollten ihre Werte kennen“, so der Rat.
Übergewichtig, nicht mehr ganz jung und mit hochrotem Gesicht, so die vorherrschende Vorstellung von klassischen Bluthochdruckpatient*innen. Nicht immer zeigt sich dieses Bild nach außen. „Es gibt auch eine gewisse familiäre Prädisposition, also die Neigung zu hohem Blutdruck, die vererbt wird“, erklärt der Primarius. Gibt es in der Familie erhöhte Blutdruckwerte, sei dies in ungefähr 50 Prozent der Fall. Unter diesen Voraussetzungen empfiehlt der Mediziner auch jungen Erwachsenen regelmäßige Kontrollen des Blutdrucks. Wesentliche Faktoren, die Bluthochdruck begünstigen können, sind auch Umweltfaktoren, Bewegungsarmut, Übergewicht, Diabetes sowie starke psychische Belastungen.
Bluthochdruck in den Wechseljahren
Bei Frauen in den Wechseljahren spielt der Blutdruck oft verrückt. Der Grund liegt einerseits in der Hormonumstellung, andererseits im höheren Alter per se. Generell erhöht sich in den Wechseljahren durch die abnehmenden Hormone die Gefahr von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. „Durch die Umstellung im Hormonsystem kommt es zu einer dramatischen Verschlechterung für die Gefäße“, erklärt Primarius Puhr. Der Experte rät, mit dem Facharzt oder der Fachärztin für Gynäkologie abzusprechen, inwieweit durch Hormonsubstitution oder Ähnlichem interveniert werden kann. Generell gilt, dass unabhängig vom Geschlecht jede dritte Frau bzw. jeder dritte Mann ab dem 50. Lebensjahr erhöhten Blutdruck hat.
Präventionsmaßnahmen
„Nicht jeder erhöhte Blutdruckwert bedeutet gleich die Diagnose Hypertonie“, gibt der Experte zu bedenken. Wichtig sei, die Werte über längere Zeit zu kontrollieren. Der behandelnde Arzt bzw. die behandelnde Ärztin entscheidet, in welchen Fällen eine medikamentöse Therapie notwendig ist. Liegt die Erhöhung nur in geringem Ausmaß vor, sei zumindest über drei Monate der Versuch einer Lifestylemodifikation indiziert. Dazu zählen Gewichtsreduktion, mehr körperliche Bewegung sowie die Umstellung der Ernährung auf kochsalzarme, kalium- und gemüsereiche Kost. „Drei Monate können reichen, um eine Reduktion um 4 bis 5 Millimeter mmHG herbeizuführen“, weiß Primarius Puhr.
Gewarnt wird vor verstecktem Salz, das sich vor allem in Konserven und Fertigprodukten aus dem Supermarkt befindet. Kochsalz wird in diesen Produkten oft als Konservierungsmittel verwendet. Der Experte rät zu frischer Kost und selbst zubereitetem Essen und zum Griff zu Kräutern und Kaliumsalzen (schützt das Herz).
Blutdruckmittel und die Angst vor Impotenz
Es gibt zwei Situationen, in denen sofort mit einer medikamentösen Therapie begonnen werden muss, weiß der Experte. Zum einen, wenn eine Risikosituation aufgrund von anderen Krankheiten vorliegt, etwa, wenn zusätzlich eine Nierenerkrankung besteht. Zum anderen, wenn die Blutdruckwerte sich in einem gefährlichen Bereich bewegen, sprich der erste Wert über 180 und der zweite über 120 liegt. In beiden Fällen drohen schwere Gesundheitsschäden.
Die Verträglichkeit der Therapie hat sich dramatisch zum Guten geändert. Medikamente der Klasse 1 (Anm.: antihypertensive Medikamente werden in unterschiedliche Klassen eingeteilt), die hauptsächlich eingesetzt werden, haben eine Verträglichkeit, die sich im Placebobereich abspielt. „Das heißt, Patientinnen und Patienten, die Zuckerl nehmen, haben die gleichen Beschwerden, wie jene, die die Blutdruckmedikamente nehmen“, so der Vergleich des Primars. Entwarnung gibt es auch für Ängste von Männern: Moderne Blutdruckmedikamente haben heutzutage keinerlei Einfluss auf die Potenz.
Lässt man den Bluthochdruck entgleisen und startet keinerlei Therapie, kann dies dramatische Folgen haben. „Man verschenkt – und das zeigen statistische Untersuchungen – fünf bis zehn gesunde Lebensjahre, das heißt, man stirbt fünf bis zehn Jahre früher, an Krankheiten, die wir nicht haben wollen“, verdeutlich Primarius Puhr. Konkret zählen dazu Herzinfarkt, Schlaganfall und Nierenversagen. In fünfzig Prozent der Fälle könnten diese Krankheiten durch eine ordentliche Therapie verhindert werden. Denn: Es gibt in der Medizin keine Maßnahme, die so eine große prophylaktische Wirkung hat, wie eine Blutdruckeinstellung.