AG/R: Mit viel Geduld und Einfühlungsvermögen zurück in die Selbstständigkeit

FÄ Dr.in Christina Svenda
Fachärztin Dr.in Christina Svenda, Leiterin des Departments für Akutgeriatrie und Remobilisation in der Klinik Kittsee in der Radio Burgenland Sprechstunde über den oft langen Weg zurück in ein eigenständiges Leben nach Unfällen oder Krankheiten.

Es kann schnell gehen, nach einem Schlaganfall oder einem Oberschenkelhalsbruch ist es vorbei mit der Selbstständigkeit. Vor allem ältere Menschen, die einen Unfall oder eine Krankheit hatten, brauchen danach oft Unterstützung, um wieder mobil zu werden. „Gerade bei älteren Patient*innen verlaufen die Heilungsprozesse langsamer und sind auch öfter mit Komplikationen behaftet, sodass Geduld ein wesentlicher Faktor im Heilungsprozess ist. Man muss sich aktiv Zeit für die Genesung nehmen“, erklärt Fachärztin Dr.in Christina Svenda, Leiterin des Departments für Akutgeriatrie und Remobilisation in der Klinik Kittsee.

Von Oberschenkelhalsbrüchen bis Parkinson

Im Department für Akutgeriatrie und Remobilisation (AG/R) der Klinik Kittsee gibt es ein Umfeld, in dem Betroffene gesichert und mit Hilfestellung üben können, um die Remobilisation so erfolgreich wie möglich zu gestalten, die Selbstständigkeit zu verbessern und vor allem Vertrauen in die wiedererlangten Fähigkeiten zu bekommen. „Oberschenkelhalsbrüche stellen einen großen Anteil unseres Tätigkeitsfeldes dar. Es sind aber natürlich weit mehr Erkrankungen abgedeckt, vom Bewegungsapparat sowohl traumatische als auch degenerativ bedingte Erkrankungen“, weiß die Expertin. Viele Patient*innen kommen mit Problemen in der Wirbelsäule oder nach Operationen, etwa nach Gelenksersatzoperationen. Im Department werden aber auch chronische Schmerzpatient*innen mit Osteoporose, Schlaganfallpatient*innen sowie generell Patient*innen mit neurodegenerativen Erkrankungen, z.B. Parkinson oder Polyneuropathie, betreut.

Das Therapeutenteam setzt sich aus den Bereichen Physiotherapie, Ergotherapie, Logotherapie, Diätologie und Psychologie zusammen. Von ärztlicher Seite stehen Allgemeinmediziner*innen sowie eine neurologische und internistische fachärztliche Betreuung zur Verfügung. „Dazu kommt ein sehr motiviertes Pflegeteam, das die angeleitete Pflege mit den Patient*innen macht sowie ein Entlassungsmanagement, das für die Zeit nach dem Aufenthalt unterstützt“, unterstreicht die Fachärztin.

In jedem Fachbereich wird ein Aufnahmegespräch geführt. Danach wird der erste Therapieplan erstellt, der in weiterer Folge reevaluiert wird, um den Fortschritt zu beobachten und anzupassen, damit die Patient*innen bestmöglich profitieren können.

Wo liegt der Unterschied zu einer Reha oder Kur?

Der größte Unterschied liegt darin, dass die Patient*innen nach einem Akutereignis viel früher in der AG/R aufgenommen werden können. Bei einer Reha sind die Wartezeiten oft länger bzw. brauchen viele Patient*innen mehr Unterstützung als bei einer Reha möglich ist, da ihre Selbstständigkeit noch zu sehr beeinträchtigt ist. „Wir übernehmen die Patient*innen möglichst zeitnah, postoperative oftmals direkt nach dem Krankenhaus. Viele kommen auch vor einer geplanten Reha zu uns, zur Erstmobilisierung sozusagen“, klärt Dr.in Svenda auf.

Zahlreiche Einrichtungen im Department unterstützen den Genesungsprozess. Ergometer, Sprossenwände oder Medizinbälle zählen ebenso dazu wie etwa eine Übungstreppe, mit der Patient*innen gezielt Stiegen steigen üben können. Das Department verfügt auch über einen „Dividat Senso“, ein interaktives Trainingsgerät zur Verbesserung der kognitiven und motorischen Fähigkeiten. Beim Training damit wird die Zusammenarbeit zwischen Gehirn und Bewegungsapparat trainiert und verbessert.

Der Aufenthalt in der AG/R ist über drei Wochen geplant. Ambulant gibt es noch die Möglichkeit, Patient*innen über sechs Wochen hinweg zu betreuen. Die Klinik Kittsee verfügt über Kapazitäten für 24 stationäre Patient*innen und zusätzlich für vier ambulante Patient*innen.

Der Weg ins Department: Aufnahmeprozesse

Eine konkrete Altersgrenze für die Aufnahme in die AG/R gibt es nicht. Grundsätzlich ist der Aufenthalt für Patient*innen ab 65 Jahren gedacht. Die Aufnahme richtet sich jedoch nach den Bedingungen, die der Patient/die Patientin mitbringt. „Menschen mit gewissen Grunderkrankungen oder Einschränkungen, die eine höheres biologisches Alter ergeben, können durchaus auch in die AG/R kommen“, verdeutlicht die Fachärztin.

Zuweisungen erfolgen in der Regel durch die behandelnden Ärzt*innen – entweder direkt im Spital oder durch die/den Hausärzt*in. Ein Downloadformular zur Anmeldung steht auf der Webseite zur Verfügung. Es muss vom behandelnden Arzt oder der behandelnden Ärztin ausgefüllt und an das Department übermittelt werden. Nach Prüfung des Antrags erhalten Patient*innen einen möglichen Aufnahmetermin.

Hohe Patientenzufriedenheit

Die AG/R in Kittsee ging im Oktober 2022 in Vollbetrieb. Die Bilanz ist durchwegs positiv, die Patientenzufriedenheit hoch. „Das Angebot wird sehr gut angenommen. Die meisten Patient*innen können ihre Ziele sehr gut erreichen und die Selbstständigkeit zuhause deutlich verbessern“, freut sich Fachärztin Dr.in Svenda. Der Bedarf an Einrichtungen dieser Art dürfte in Zukunft mehr werden. Das steigende Bevölkerungsalter aufgrund der verbesserten medizinischen Möglichkeiten lässt darauf schließen. Umso wichtiger sei es, die dadurch gewonnene Zeit in hoher Lebensqualität zu verbringen.

Patient*innen werden mit der höchstmöglichen Selbstständigkeit, Kräftigung und Stabilität entlassen. Für Zuhause gibt es Therapieempfehlungen. Auch Hilfsmittel stehen hoch im Kurs. Teils werden diese bereits im stationären Aufenthalt für die Patient*innen organisiert, z.B. Mieder. Natürlich gibt es auch die entsprechenden Schulungen.

Das Entlassungsmanagement versucht vom Aufnahmetag an, mit den Patient*innen oder deren Angehörigen gemeinsam, das zukünftige Umfeld optimal an die neuen Bedingungen anzupassen und gibt auch Kontakte für diverse Einrichtungen weiter.

Gesunder Lebensstil zur Vorbeugung

Von Anfang an auf einen gesunden Lebensstil achten, gesunde Ernährung, ausreichend körperliche Aktivität im Alter und das Vermeiden von Risikoverhalten wie Rauchen oder Alkoholkonsum helfen dabei, möglichst lange gesund zu bleiben. Auch regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen seien wichtig. Älteren Patient*innen rät die Expertin dazu, rechtzeitig damit zu beginnen, die häusliche Umgebung anzupassen: Sturz- und Stolperfallen beseitigen, rutschfeste Unterlagen für die Badewanne besorgen etc.

Bei der Neuplanung eines Hauses sollte man auf mögliche Bedürfnisse im Alter Rücksicht nehmen. Nachträglich sei dies schwieriger, aber machbar, etwa mit Hilfe eines Stiegenlifts.

Gut zu wissen: Der Erhalt einer gewissen Grundmuskulatur kann bei Stürzen schonend wirken und ist schon ab einem jüngeren Alter notwendig. Im Berufsalltag zu viel zu sitzen kann schon in jüngeren Jahren ein Defizit an Muskeln und an Knochenfestigkeit verursachen. Bewegung und ausgewogene Ernährung seien die entscheidenden Faktoren.

Geduld und Einfühlungsvermögen

Geduld und Einfühlungsvermögen sind in der Arbeit im Department besonders wichtig. Gerade für ältere Menschen kann eine Genesung ein langwieriger Prozess sein, der mit Schmerzen einhergeht und psychisch überfordert. „Unser Pflegeteam zeichnet sich wirklich durch sehr viel Empathie aus und natürlich gibt es eine psychologische Betreuung, die immer parallel angeboten wird – auch unabhängig von Gruppentherapien gibt es die Möglichkeit für Gespräche. Das ist sehr wichtig und kommt bei den Patient*innen auch sehr gut an“, erklärt die Fachärztin. Unterstützend wirken auch die hellen und freundlichen Patientenzimmer, ein großer Aufenthaltsraum mit einem Fernseher und mehreren Tischen, an denen die Patient*innen regelmäßig zusammenkommen, um Karten zu spielen und miteinander zu plaudern. Dies stärke die sozialen Kontakte und beuge der sozialen Isolation im Alter vor.

Hier geht es zum Radio Burgenland Sprechstunde-Podcast.