TAUSCHE WERKSTATT GEGEN KLINIK

Andreas Binder

In meiner Geschichte möchte ich erzählen, was aus mir geworden ist und wie ich der wurde, der ich heute bin.
Im September 1988 begann ich eine Lehre als Kfz-Mechaniker in Güssing, machte dann 1992 meine Lehrabschlussprüfung und arbeitete im Betrieb, bis ich im Juli 1993 zum Bundesheer einberufen wurde. Im Februar des nächsten Jahres endete mein Grundwehrdienst. Das weiß ich noch so genau, weil ich direkt danach mein Kreuzband operieren lassen musste, und zwar schon zum vierten Mal. Eine Reihe von Verletzungen beim Fußball hatten mich schon zuvor immer wieder ins Krankenhaus gebracht. Alle Operationen wurden damals in der Klinik Güssing durchgeführt, auch die vierte. Doch nach dieser OP kam der Oberarzt zu mir und sagte: »Fußball ade oder du hast mit fünfzig eine Knieprothese!«.

Es waren also meine Fußballverletzungen am Knie, die mich auf den Weg brachten, der zu werden, der ich heute bin – diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger auf der Anästhesie-Intensivabteilung im Klinikum Güssing mit der Sonderausbildung für Intensivpflege.

Die Worte des Oberarztes gaben mir damals wirklich zu denken. Was sollte ich nun tun? Ich war gerade einmal 21 Jahre alt, hatte ein kaputtes Knie und wollte auch meinen erlernten Beruf nicht mehr unbedingt ausüben. Während ich also in meinem Klinikbett in Güssing lag und über mein Leben nachgrübelte, fiel mir eines Tages ein männlicher Krankenpflegeschüler auf. Er erzählte mir, dass er gerade ein Praktikum auf der Station absolvierte. »Interessant«, dachte ich mir, meine Neugier war geweckt. In den nächsten Tagen stellte ich ihm viele Fragen zu seinen Tätigkeiten und seinem Antrieb, diesen Beruf anzustreben. Und plötzlich wusste ich: »Das wäre doch auch etwas für mich.«

Obwohl dieser Schritt sehr konträr zu meinem erlernten Beruf war, entschloss ich mich weitere Informationen zum Berufsbild der Krankenpflege einzuholen – die Idee wurde immer konkreter für mich. Bald wurde ich fündig und bewarb mich schließlich mit Hilfe des AMS im November 1994 um einen einwöchigen Eignungstest für Pflegehelfer*innen in Oberwart. Von den sechzig angemeldeten Teilnehmer*innen wurden nur zwanzig als geeignet empfunden, und ich freute mich sehr, dass
ich unter den Ausgewählten war. 

Somit begann ich im Jänner 1995 mit der einjährigen Pflegehelferausbildung in Oberwart. Zu dieser Zeit wurde ich vom Burgenland finanziell unterstützt, da es eine Umschulung war – was die Neuorientierung für mich wesentlich erleichterte. Es folgten diverse Praktika im Krankenhaus, im Pflegeheim sowie in der Hauskrankenpflege. Nach der bestandenen Pflegehelferprüfung begann schließlich meine Pflegekarriere Anfang Jänner 1996 im Pflegeheim Güssing.

Zugegeben, mit wenig Wissen, was auf mich zukommen würde und auch einigen Zweifeln, ob das wirklich der richtige Schritt für meine Zukunft gewesen war.
Doch ich machte mich daran, das herauszufinden: Nachdem ich ein halbes Jahr im Pflegeheim als Pflegehelfer gearbeitet hatte, konnte ich im Juli ins Krankenhaus Güssing wechseln und dort als Pflegehelfer auf einer chirurgischen Abteilung beginnen. Das war ein wichtiger Schritt für mich, denn schon am Beginn meiner Ausbildung war es mein Wunsch gewesen, in einem Krankenhaus zu arbeiten. Ich war gerne dort tätig und lernte schnell und viel – und schon nach wenigen Monaten waren meine Zweifel verflogen und ich war mir sehr sicher, dass meine neue Berufswahl die richtige für mich war. In den folgenden Jahren sammelte ich zahlreiche Erfahrungen und erhielt auch viele positive Rückmeldungen von Seiten der Kolleg*innen. Das führte dazu, dass ich 1999 einen weiteren Schritt wagte, die Ausbildung zum diplomierten Gesundheits- und Krankenpfleger.


Zu dieser Zeit gab es eine Gesetzesänderung, die mir sehr entgegenkam: Da ich bereits eine einjährige Ausbildung zum Pflegehelfer absolviert hatte, war es möglich, dass ich im September 2000 direkt ins zweite Ausbildungsjahr in der Krankenpflegeschule in Oberwart einsteigen konnte – ich war im Burgenland der erste Schüler überhaupt, der dieses Angebot nutzte!

Diesmal gab es allerdings keinerlei finanzielle Unterstützung von Seiten des Landes, lediglich ein Taschengeld von der Krankenpflegeschule in Höhe von 70 bis 100 Euro pro Monat. Und das war nicht ganz einfach. Doch die finanzielle Unterstützung meiner Eltern und mein starker Wille führten mich schlussendlich zum Ziel. Und im September 2002 dur!e ich dann mein Diplom mit ausgezeichnetem Erfolg entgegennehmen. Mit dem Diplom in der Tasche kam für mich nur eine Station in der Klinik Güssing in Frage: die Anästhesie-Intensivabteilung, wo ich unbedingt hinwollte. Schon zwei Monate später war es dann so weit und ich begann dort als diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger zu arbeiten. Einige Jahre später bildete ich mich erneut weiter und absolvierte die vorgeschriebene Sonderausbildung für Intensivpflege am LKH Graz.

Heute sind es 23 Jahre, die ich bereits auf der Anästhesie-Intensivabteilung hier im Haus beschäftigt bin. Jeder Tag ist eine neue Herausforderung, man weiß nie, was auf einen zukommt. Dabei aber immer verantwortungsvoll und pflichtbewusst zu arbeiten, fällt mir deshalb leicht, weil ich aus einer Berufung
meinen Beruf gemacht habe. Und das Schöne ist: Wir sind ein hervorragend funktionierendes Team und kennen uns sehr gut. Jede:r behandelt die anderen respektvoll, das ist gerade in schwierigen Situationen in unserer Abteilung die wichtigste Stütze – sodass wir an der Arbeit auch immer noch enorm viel
Freude haben. 

ANDREAS BINDER
ist diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger und arbeitet auf der Anästhesie und Intensivstation der Klinik Güssing.